Scheinselbständigkeit

I. Definition

Der Begriff der Scheinselbständigkeit ist eine sozialversicherungstechnische Fiktion, die zum 01.01.2003 durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz II) abgeschafft wurde. 

Scheinselbständig waren erwerbstätige Personen, die auf Grund der tatsächlichen Ausgestaltung des zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Rechtsverhältnisses zu den abhängig Beschäftigten zählten, die aber in der Arbeitswelt als Selbständige auftraten. Die Frage, ob eine selbständige Person unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 SGB IV als Arbeitnehmer gilt, ist für Zwecke des Steuerrechts ohne Auswirkung, da es sich dabei ausschließlich um eine Fiktionsregel im Rahmen des Sozialversicherungsrechts handelte. 

Die Neufassung des § 7 Abs. 4 SGB IV fingiert die Vermutung einer selbständigen Tätigkeit für Existenzgründer.

Einsteigerliteratur:Marburger, „Das Anfrageverfahren zur Feststellung einer Sozialversicherungspflicht”, NWB F. 27 S. 5871 Hässler, „Scheinselbständigkeit und arbeitnehmerähnliche Selbständige”, NWB F. 27 S. 4959 Marburger, „Beitragsberechnung für Scheinselbständige”, NWB F. 27 S. 5367 

II. Sozialversicherungsrechtliche Vermutungsregelung (bis 01.01.2003)

In Fällen, in denen die Beteiligten ihre Mitwirkungspflichten verweigern, kann bei Vorliegen von 3 der folgenden 5 Kriterien Scheinselbständigkeit vermutet werden:

– keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer mit Arbeitsentgelt > 325 € beschäftigt,

– Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Arbeitgeber,

– entsprechende Tätigkeiten werden regelmäßig durch Arbeitnehmer erledigt,

– kein unternehmerischer Auftritt der Person,

– die Tätigkeit entspricht der Tätigkeit welche die Person zuvor im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erbracht hat.

Zur Statusfeststellung, ob eine selbständige oder scheinselbständige Tätigkeit vorliegt, können Auftraggeber und Auftragnehmer bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine schriftliche Entscheidung im Wege des Anfrageverfahrens beantragen.

Unter www.lva.de und www.infoquelle.de sind Checklisten/Fragebögen und weiterführende Informationen zur Scheinselbständigkeit verfügbar.

III. Steuerliche Scheinselbständigkeit

Ob eine Person arbeits- oder sozialversicherungsrechtlich als Scheinselbständiger oder arbeitnehmerähnlicher Selbständiger anzusehen ist, ist für steuerliche Zwecke unmaßgeblich. Ist ein Scheinselbständiger steuerlich selbständig, gehören die Sozialversicherungsbeiträge des Auftraggebers zu den steuerpflichtigen Betriebseinnahmen, da die Befreiungsvorschrift § 3 Nr. 62 EStG an den Arbeitnehmerbegriff anknüpft.

Ertragsteuerlich richtet sich die Frage der Selbständigkeit danach, ob das Gesamtbild der Verhältnisse für oder gegen eine selbständige Tätigkeit spricht.

Die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft setzt die selbständige Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit voraus. Selbständigkeit liegt bereits vor, wenn eine Tätigkeit auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung ausgeübt wird.

IV. Gewerberechtliche Auswirkungen der Scheinselbständigkeit

Die Annahme einer arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Scheinselbständigkeit kann zur Versagung eines Gewerbescheins führen.