Steuerliche Förderung der Gesundheit
1. Allgemeine Vorbemerkungen
Durch das Jahressteuergesetz 2009 ist rückwirkend zum 1.1.2008 eine Steuerbefreiungsvorschrift mit dem Ziel der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung eingeführt worden.
Durch die Steuerbefreiung werden die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung steuerfrei gestellt, soweit sie je Arbeitnehmer 500 € jährlich (= Freibetrag) nicht übersteigen ( 3 Nr.34 EStG i.V.m. 52 Abs.4c EStG ). Leistungen, die unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung erbracht werden, sind nicht steuer- und sozialversicherungsfrei (vgl. hierzu die ausführlichen Erläuterungen beim Stichwort „Gehaltsumwandlung ).
2. Welche Maßnahmen sind begünstigt?
Zur sachlichen Eingrenzung der Steuerbefreiung müssen die vorstehend beschriebenen Leistungen des Arbeitgebers hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der 20 und 20a SGB V genügen. Hierunter fällt zum einen die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und zum anderen die betriebliche Gesundheitsförderung. Im Einzelnen sind dies die Bereiche:
allgemeine Reduzierung von Bewegungsmangel sowie Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme,
Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen des Bewegungsapparates,
allgemeine Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung sowie Vermeidung und Reduktion von Übergewicht,
Gesundheitsgerechte betriebliche Gemeinschaftsverpflegung (z. B. Ausrichtung der Betriebsverpflegungsangebote an Ernährungsrichtlinien und Bedürfnisse der Beschäftigten, Schulung des Küchenpersonals, Informations- und Motivierungskampagnen),
Stressbewältigung und Entspannung (= Vermeidung stressbedingter Gesundheitsrisiken) Förderung der individuellen Kompetenzen der Stressbewältigung am Arbeitsplatz, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung,
Einschränkung des Suchtmittelkonsums (= allgemeine Förderung des Nichtrauchens, „rauchfrei im Betrieb, gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol, allgemeine Reduzierung des Alkoholkonsums, Nüchternheit am Arbeitsplatz).
Begünstigt sind auch Yoga-Kurse, da es sich entweder um verhaltens- /gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme oder um Vermeidung stressbedingter Gesundheitsrisiken handelt. Auch Aufwendungen des Arbeitgebers für Schutzimpfungen (z.B. gegen Grippe) fallen als Leistungen zur Primärprävention (= Risikoschutz) unter die Steuerbefreiungsvorschrift des 3 Nr.34 EStG . Entsprechendes gilt u.E. für Vorsorgeuntersuchungen, sofern es sich nicht ohnehin um eine Leistung im ganz überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers handelt. Schließlich kann die Steuerbefreiungsvorschrift des 3 Nr.34 EStG zur Anwendung kommen, wenn eine Bildschirmarbeitsbrille nicht aufgrund einer ärztlichen Untersuchung angeschafft wird. Bei sog. Aktivwochen für Mitarbeiter kann die Steuerbefreiung u.E. nur angewendet werden, wenn die gesundheitsfördernden Maßnahmen dem Grunde und der Höhe eindeutig feststehen und die Kosten für das Gesundheitsprogramm ausnahmsweise nicht von der Krankenkasse, sondern vom Arbeitgeber getragen werden
Beispiel A
Zur Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen am Bewegungsapparat lässt der Arbeitgeber auf seine Kosten seinen Arbeitnehmern im Betrieb während der Arbeitszeit Massagen verabreichen. Der geldwerte Vorteil beträgt je Arbeitnehmer 360 € pro Jahr. Der geldwerte Vorteil in Höhe von 360 € ist nach 3 Nr.34 EStG steuer- und sozialversicherungsfrei.
Beispiel B
Zur Einschränkung des Suchtmittelkonsums führt der Arbeitgeber auf seine Kosten während der Arbeitszeit Seminare für seine Mitarbeiter durch. Der geldwerte Vorteil beträgt je Arbeitnehmer 180 € pro Jahr. Der geldwerte Vorteil in Höhe von 180€ ist nach 3 Nr.34 EStG steuer- und sozialversicherungsfrei.
Beispiel C
Ein Arbeitgeber errichtet mit erheblichem finanziellen Aufwand einen Fitnessraum und bezahlt anschließend eine Fremdfirma, die für die Arbeitnehmer „gesundheitsfördernde Trainingsprogramme im Sinne der 20, 20a SGB V durchführt.
Bei der Errichtung und zur Verfügungstellung des Fitnessraums handelt es sich um eine steuer- und beitragsfreie Leistung im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Die im Auftrag des Arbeitgebers erbrachten Leistungen der Fremdfirma sind steuerfrei, soweit sie beim einzelnen Arbeitnehmer 500 € jährlich nicht übersteigen.
Hinweis: Etwaige Eigenbeteiligungen der Arbeitnehmer (z. B. Kursgebühren) mindern den geldwerten Vorteil.
3. Barleistungen
Unter die Steuerbefreiungsvorschrift fallen neben den unmittelbaren Leistungen des Arbeitgebers auch Barleistungen (Zuschüsse) des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, die diese für extern durchgeführte Maßnahmen aufwenden. Hierdurch wird die Tatsache berücksichtigt, dass insbesondere Arbeitgeber kleinerer und mittlerer Unternehmen nicht in demselben Maße wie große Unternehmen eigene Gesundheitsförderungsmaßnahmen durchführen können und daher auf bestehende, externe Angebote angewiesen sind. Die Steuerbefreiung kann daher auch in Anspruch genommen werden, wenn durch den Arbeitgeber ein Zuschuss für eine der o.a. Maßnahmen gewährt wird, die von einem Sportverein oder einem Fitnessstudio angeboten werden. Allein die Übernahme oder die Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen an einen Sportverein oder ein Fitnessstudio ist aber nicht steuer- und sozialversicherungsfrei.
Beispiel A
Zur Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen am Bewegungsapparat nimmt ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit an einem Pilates-Kurs eines Sportvereins teil. Die Kosten in Höhe von 75 € werden ihm von seinem Arbeitgeber erstattet.
Auch der Barzuschuss des Arbeitgebers in Höhe von 75 € ist nach 3 Nr.34 EStG steuer- und sozialversicherungsfrei.
Beispiel B
Der Arbeitgeber zahlt allen seinen Arbeitnehmern, die ihm die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio nachweisen einen monatlichen Barzuschuss von 15 €.
Der Barzuschuss von monatlich 15 € ist steuer- und sozialversicherungspflichtig, da die Steuerbefreiungsvorschrift nach 3 Nr.34 EStG allein wegen der Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen eines Sportvereins oder Fitnessstudios nicht in Anspruch genommen werden kann.
Die Sach- und/oder Barleistungen des Arbeitgebers müssen hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der 20 und 20a SGB V genügen. Dies setzt u.a. voraus, dass die Maßnahmen von einem qualifizierten Anbieter angeboten und durchgeführt werden.
Beispiel C
Ein Arbeitgeber möchte seinen Arbeitnehmer alternativ den Eintritt in die Sauna oder in das Schwimmbad gegen Vorlage entsprechender Nachweise steuerfrei erstatten. Er argumentiert, dass der Saunabesuch der Stressbewältigung und Entspannung dient und das Schwimmen letztlich ein gesundheitsorientiertes Bewegungsprogramm sei.
Eine steuerfreie Erstattung des Eintritts in die Sauna bzw. in das Schwimmbad kommt u.E. nicht in Betracht, da dort zumindest im Beispielsfall keine gesundheitsorientierten Maßnahmen von einem qualifizierten Anbieter durchgeführt werden.
Da Barzuschüsse begünstigt sind, reicht es aus, wenn die Rechnung für die Durchführung dieser Maßnahmen auf den Arbeitnehmer und nicht auf die Firma lautet. Die Rechnung ist als Nachweis für die steuerfreie Zahlung zum Lohnkonto des Arbeitnehmers zu nehmen.
4. Überschreiten des Höchstbetrags
Wird der jährliche Höchstbetrag von 500 € je Arbeitnehmer aufgrund von Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung überschritten, ist zu prüfen, ob es sich beim übersteigenden Betrag um eine nicht zu Arbeitslohn führende Maßnahme im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers handelt. Rein systematisch wäre zunächst die Prüfung vorzunehmen, ob es sich um Arbeitslohn oder um eine Leistung im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers handelt und anschließend die Steuerbefreiungsvorschrift von 500 € anzuwenden. Bei Beträgen bis 500 € kann jedoch wegen des steuerfreien Höchstbetrags auf diese systematische Vorgehensweise verzichtet werden.
Beispiel A
Zur Vermeidung stressbedingter Gesundheitsrisiken ermöglicht der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern auf seine Kosten den Besuch von Kursen zur Stressbewältigung und Entspannung. Die Kosten betragen pro Arbeitnehmer 480 € jährlich. Außerdem bezuschusst er die Teilnahme am FPZ-Rückenkonzept mit 120 € je Arbeitnehmer.
Da es sich bei der Teilnahme am FPZ-Rückenkonzept um eine Leistung im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers handeln soll, ist der geldwerte Vorteil für den Besuch der Kurse zur Stressbewältigung und Entspannung in Höhe von 480 € nach 3 Nr.34 EStG steuerfrei.
Beispiel B
Wie Beispiel A. Anstelle der Teilnahme am FPZ-Rückenkonzept handelt es sich um einen Raucherentwöhnungskurs.
Der geldwerte Vorteil der Arbeitnehmer beträgt insgesamt 600 €. Davon sind 500 € aufgrund des 3 Nr.34 EStG steuer- und sozialversicherungsfrei. Der steuer- und sozialversicherungspflichtige Vorteil beträgt daher 100 € je Arbeitnehmer (600 € abzüglich 500 €).
5. Umsatzsteuerpflicht der Sachleistungen des Arbeitgebers
In vielen Fällen werden die Aufwendungen des Arbeitgebers von der Krankenkasse bezuschusst. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser Zuschuss umsatzsteuerlich zu behandeln ist. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber „unentgeltlich ohne einen Zuschuss von dritter Seite Sachleistungen an seine Arbeitnehmer erbringt.
Beispiel
Ein Arbeitgeber lässt für seine 50 Mitarbeiter Kurse zur Stressbewältigung und Entspannung durch einen externen Dienstleister durchführen. Die Aufwendungen hierfür betragen 10.000€ zuzüglich 1.900€ Umsatzsteuer. Von der Krankenkasse erhält der Arbeitgeber einen Zuschuss von 5.000€ (= 50% der Nettokosten).
Die Kurse zur Stressbewältigung und Entspannung sind lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei, da die Aufwendungen je Arbeitnehmer von 238 € (= 1/50 von 11.900 €) den Höchstbetrag von 500 € nicht übersteigen.
Aus der ordnungsgemäßen Rechnung des externen Dienstleisters ist der Arbeitgeber in Höhe von 1900 € zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Zudem erbringt der Arbeitgeber umsatzsteuerlich eine Leistung gegenüber seinen Arbeitnehmern. Die Leistung des externen Dienstleiters wird ihm umsatzsteuerlich als eigene Leistung zugerechnet. Fraglich ist die Höhe der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Beim Zuschuss der Krankenkasse handelt es sich um eine Entgeltzahlung von dritter Seite in Höhe von netto 4.201,68 € (5000 € ./.1,19). Anzusetzen ist allerdings u.E. in diesem Fall die sog. Mindestbemessungsgrundlage von 10.000 €, da die Leistung „Stressbewältigung und Entspannung für den privaten Bedarf der Arbeitnehmer und nicht aufgrund betrieblicher Erfordernisse erbracht wird. Die Mindestbemessungsgrundlage von 10.000 € führt somit für den Arbeitgeber zu einer Umsatzsteuer von 1.900 € (=19%).
Die gleiche Lösung (Bemessungsgrundlage für die Leistung des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer 10.000 €; Umsatzsteuer 1.900€) würde sich übrigens ergeben, wenn der Arbeitgeber keinen Zuschuss von der Krankenkasse erhalten hätte.
Hilden, den 25.02.2010
Wolfgang Heiliger