I. Allgemeines
Die Aufbewahrungspflichten und -fristen betreffen Kaufleute, also neben Einzelkaufleuten auch Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften, außerdem Genossenschaften und juristische Personen, sofern diese ein Handelsgewerbe betreiben.
Die steuerlichen Aufbewahrungspflichten und -fristen treffen darüber hinaus alle nicht im Handelsregister eingetragenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, sonstige Gewerbetreibende und Freiberufler.
Die Verpflichtung, die in 257 HGB und 147 AO genannten Geschäftsunterlagen aufzubewahren, ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die zur Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten berechtigt.
Unterlagen aus dem Privatbereich, mit denen z.B. Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen belegt werden, sind nach dem Gesetz grundsätzlich (Ausnahme siehe unter II. für Aufbewahrung von Rechnungen durch Nichtunternehmer) nicht aufbewahrungspflichtig. Dies gilt auch für private Kontoauszüge.
Auch bei Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ist der Steuerpflichtige nicht verpflichtet, die Belege nach ihrer Rückgabe durch das Finanzamt bis zur Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts aufzuheben.
Ausnahme: Handwerkerrechnungen sind auch von Privathaushalten 2 Jahre lang aufzubewahren.
Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften ist im Rahmen der Darlegungs- und Nachweispflichten zuzumuten, Sachverhalte, die einen sich wiederholenden Werbungskostenabzug begründen (z.B. Schuldaufnahme für grundstücksbezogene Aufwendungen, Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes), für die Dauer des Abzugszeitraums nachweisbar festzuhalten.
II. Fristdauer
Hinsichtlich der Mindestzeiträume für die Aufbewahrung der Bücher und sonstigen Buchführungsunterlagen gelten steuerrechtlich grundsätzlich (siehe V.) dieselben Fristen wie im Handelsrecht:
Zehn Jahre für Bücher und Aufzeichnungen, Inventare und Bilanzen, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Buchungsbelege, Arbeitsanleitungen und Organisationsunterlagen.
Zehn Jahre für
Doppel der (Ausgangs-) Rechnungen, die der Unternehmer oder ein Dritter in seinem Namen und für seine Rechnung ausgestellt hat,
alle (Eingangs-) Rechnungen, die er erhalten oder die ein Leistungsempfänger oder in dessen Namen und für dessen Rechnung ein Dritter ausgestellt hat ( 14b Abs. 1 UStG 2004) ;
Sechs Jahre für empfangene Handels- oder Geschäftsbriefe, Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe.
Sechs Jahre für Lohnkonten ( 41 Abs. 1 S. 9 EStG); wir empfehlen aber, Lohndaten insgesamt mindestens 10 Jahre aufzubewahren.
Zwei Jahre für Rechnungen, Zahlungsbelege oder andere beweiskräftige Unterlagen, soweit der Leistungsempfänger nicht Unternehmer ist oder Unternehmer ist, die Leistung jedoch für seinen nichtunternehmerischen Bereich verwendet.
Soweit nach steuerlichen Vorschriften zu führende Bücher und sonst erforderliche Aufzeichnungen gem. 146 Abs. 5 AO auf Datenträgern geführt werden bzw. nach 147 Abs. 2 AO auf Datenträgern aufbewahrt werden, müssen die gespeicherten Dokumente während der gesamten Aufbewahrungsfrist jederzeit unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können. Entsprechendes gilt nach den handelsrechtlichen Bestimmungen.
Es gelten die gleichen Fristen:
Daten mit Belegfunktion sind grundsätzlich sechs Jahre, Daten und sonst erforderliche Aufzeichnungen mit Grundbuch- oder Kontenfunktion grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren.
Die Verfahrensdokumentation zur DV-Buchführung gehört zu den Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen i.S.d. 257 Abs. 1 HGB bzw. 147 Abs. 1 AO und ist grundsätzlich zehn Jahre aufzubewahren.
Unabhängig von der Verpflichtung zur Lesbarmachung während der Aufbewahrungsfrist verzichtet die Finanzverwaltung im Rahmen des Datenzugriffs darauf, dass vor dem 01.01.2002 archivierte Daten für Zwecke ihrer maschinellen Auswertung ( 147 Abs. 6 AO) neu in das Datenverarbeitungssystem eingespielt werden, wenn dies mit unverhältnismäßig hohem Aufwand für das Unternehmen verbunden ist (fehlende Speicherkapazität, nochmalige Datenerfassung, Archivierung außerhalb des aktuellen Datenverarbeitungssystems oder Wechsel der Hard- oder Software).
III: Fristbeginn
Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem
die letzte Eintragung in das Buch gemacht worden ist,
das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder Lagebericht aufgestellt bzw. festgestellt worden ist,
der Konzernabschluss aufgestellt worden ist
der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden ist,
der Buchungsbeleg entstanden ist,
Aufzeichnungen vorgenommen oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind,
die Rechnung i.S.d. 14 UStG ausgestellt worden ist,
die zuletzt eingetragene Lohnzahlung erfolgt ist,
für die Verfahrensdokumentation buchhaltungsrelevante Daten in Anwendung des jeweiligen Verfahrens erfasst wurden, entstanden sind oder bearbeitet wurden.
IV. Ablaufhemmung
Die steuerliche Aufbewahrungsfrist läuft nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Aufbewahrungsfrist ist damit an die Festsetzungsfrist für Steuern angeknüpft. Insbesondere durch Ablaufhemmungen i.S.d. 171 AO ergeben sich Auswirkungen.
Die verlängerte Festsetzungsfrist nach 169 Abs. 2 S. 2 AO (soweit Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung gegeben ist) ist allerdings nicht anwendbar.
Nach Ablauf der regulären Aufbewahrungsfristen müssen die Unterlagen für die Dauer des jeweiligen Verfahrens noch in folgenden Fällen aufbewahrt zu werden:
begonnene Außenprüfung,
Bedeutung für eine vorläufige Steuerfestsetzung nach 165 AO,
anhängige steuerstraf- oder bussgeldrechliche Ermittlungen,
schwebendes oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren,
zur Begründung von Anträgen des Steuerpflichtigen.